Diese Woche im Kino in der Reitschule
Kino in der Reitschule
kino-infos at reitschule.ch
Die Jan 19 17:43:21 CET 2010
Diese Woche im Kino in der Reitschule
Belarus Fokus
Ein Land im Fokus, das allzu oft aus allen Netzen fällt, besser
bekannt im deutschsprachigen Raum als Weissrussland – eine Benennung
allerdings, die es dem Land nicht einfacher macht, wahrgenommen zu
werden. Auch wenn es viele Etiketten gibt, bleibt Belarus ein weisser
Fleck irgendwo im Osten, ein leerer Raum, der sich kaum mit
Vorstellungen verbinden lässt. Ein Land, das auch nach 18 Jahren
Unabhängigkeit fälschlicherweise noch für eine Provinz Russlands
gehalten wird. Das Projekt Kulturkontakt Aargau-Belarus im
Departement Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau engagiert
sich kulturell weit ausserhalb seiner Grenzen, indem es den Austausch
mit einem andern Kulturraum aktiv fördert.
Mit verschiedenen Filmen, Konzerten des Duos «Gurzuf» und einer
gemeinsamen Theaterkooperation rückt Belarus in einigen Städten der
Schweiz in den Fokus, der einer breiten Bevölkerung ein vielfältiges
Bild jenseits von Osturteilen und Westfantasien vermittelt. Die
Voraussetzungen für die Kultur sind bei uns und in Belarus
unterschiedlich und die Bedingungen in Belarus in vielerlei Hinsicht
schwieriger. Auf staatlicher Ebene fehlt eine entsprechende
innovative Kulturpolitik. Staatliche Steuern und hohe Mietpreise von
Räumen verhindern das Entstehen freier Gruppen, Zensur ist keine
historische Fussnote und Experimente finden noch wenig Rückhalt in
der Gesellschaft. Mangelnder Austausch mit dem Ausland isoliert die
zeit- genössische Kultur schliesslich von internationalen
Entwicklungen. Kooperationsformen sind deshalb dringend gefragt, die
einen erfolgreichen Austausch ermöglichen. Madeleine Rey
Kulturkontakt Aargau-Belarus www.ag.ch/belarus
Donnerstag, 21. Januar 2010, 20.30 Uhr
Freitag, 29. Januar 2010, 21.00 Uhr
Kurzfilme
Three Angels
Yulia Ruditskaya, Animation, Belarus Fokus 2007. 4' /ohne Sprache
Nicht alles, was auf der Erde etwas einbringt, kann man in den Himmel
mitnehmen - eine visuelle Interpretation des traditionellen,
weissrussischen Liedes «Try Yangali», drei Engel.
Yulia Ruditskaya, geboren 1982 in Minsk, wurde für «Three Angels» in
Moskau und Poznan ausgezeichnet, in Bern erhielt sie dafür den Smart
Joe am Shnit 2008. Gegenwärtig bildet sie sich in Moskau als
Regisseurin für Animationsfilm aus.
Earth Art
Anna Sokolova, Belarus Fokus 2008, 8' /Oe
Ein Videodokument über eine Aktion des weissrussischen Künstlers
Sergey Kiriushchenko aus Minsk. Er fragte zwei Bauern aus dem Dorf
Makarovshchina, ein Feld nach einem bestimmten Konzept, seiner
Zeichnung, zu pflügen. Anna Sokolova hebt dabei zwei Ebenen der
Wahrnehmung dieses Vorhabens hervor, die der Pflüger und die des
Künstlers.
Anna Sokolova ist 1975 in Minsk geboren. Sie verbrachte 2002 einen
Atelieraufenthalt im Künstlerhaus Boswil. Verschiedene Kunststudien
in Le Fresnoy, Düsseldorf und Köln. Heute lebt sie in Düsseldorf,
Deutschland.
Samagon
Eugen Schlegel und Sebastian Heinzel. Deutschland 2004, 12' /Od
Babuschka Vera lebt in einem abgelegenen 53-Seelen-Nest im Westen von
Belarus Fokus. Sie hält Gänse, backt Brot und brennt ihren eigenen
Schnaps. Der Siebzigprozentige ist wohl nicht ganz unschuldig am
frühen Tod der Männer im Dorf, doch gibt es auch eine legendäre
Geschichte: Vera beherrschte schon während des 2. Weltkriegs die
Schnapsbrennerei. Als deutsche Soldaten ins Dorf kamen, machte sie
einen Handel mit ihnen: Samagon gegen die Unversehrtheit des Dorfes.
Samagon wurde mehrfach an internationalen Festivals ausgezeichnet.
Malye Azerki
Dmitri Makhomet, Frankreich 2006. 16' /ohne Sprache
Malye Azerki ist ein Dorf in Belarus Fokus, wo der Regisseur jeden
Stein, Baum und jedes Haus kennt. Ein Porträt der Menschen in ihrem
Raum zwischen Bewegung und Stillstand, wo jede Geste an den
gegenwärtigen Moment und die Erinnerung gebunden ist.
Dmitri Makhomet, geboren 1975, ist in Malye Azerki aufgewachsen und
lebt heute in Frankreich und Belarus Fokus. Malye Azerki entstand als
Abschlussarbeit am Studio National des Arts contemporaine Le Fesnoy.
2004 war er Ateliergast im Künstlerhaus Boswil.
Traumgewalten
Oleg Tcherny und Erwin Michelberger. Deutschland 2006. 38' /D
Drei Männer und drei Frauen treffen sich zum Picknick, reden und
streiten über Liebe, 3Träume, Glauben. Ängste. Alle leiden an
sogenannten Tics, dem Tourette-Syndrom, einer neuropsychiatrischen
Erkrankung, bei der es zu plötzlichen und oft heftigen
Muskelzuckungen oder Lautäusserungen kommt. Sie leben ein normales
Leben, haben Familie, Beruf. Doch ihre Krankheit erfordert ein
Höchstmass an Sensibilität, Selbstkontrolle und Selbstreflexion. Eine
Liebeserklärung an das Andersartige in uns selbst.
Oleg Tcherny, geboren 1971 in Minsk. Er studierte an der
Kunstakademie in Düsseldorf, Tokio, Le Fesnoy. Mitarbeit im Film
Beresina von Daniel Schmid. Seine Filme waren an zahlreichen
internationalen Filmfestivals, u.a. in Locarno, Rotterdam, New York.
Freitag 22. Januar 2010, 21.00 Uhr
Samstag 30. Januar 2010, 21.00 Uhr
89 Millimeter - Freiheit in der letzten Diktatur Europas
Sebastian Heinzel. Deutschland 2005. 77' /Od
Der Unterschied zwischen der europäischen Standartspur und der
Spurweite der Eisenbahn auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion
beträgt 89 mm. Lokomotive und Waggons werden deshalb an der Grenze
hoch gehoben und auf breitere Fahrgestelle gesetzt. Dass hier eine
andere Welt beginnt, wird anhand von 6 Porträts von jungen Leuten
gezeigt.
Mit Slava, Pavel, Igor, Olga, Ludmila und Alexander wird eine grosse
Bandbreite der Jugend in Belarus Fokus zwischen Resignation,
Anpassung und Widerstand nachgezeichnet.
Sebastian Heinzel, geboren 1979 in Kassel, schloss 2009 sein Studium
in Dokumentarfilmregie an der Filmakademie Ludwigsburg ab.
Tour de Lorraine
Samstag 23. Januar 2010
The Yes Men fix the World
Mike Bonanno, Andy Bichlbaum, USA 2009, 85 Min., DVD Ov/d
The Yes Men, das sind Mike Bonnano und Andy Bichlbaum und sie «regeln
die Welt» auf ihre ganz eigene Art. Im wahren Leben Professoren an
einer renommierten amerikanischen Universität frönen die beiden einem
ausgesprochen interessanten Hobby: Sie sind Globalisierungsgegner.
Doch anstatt zu demonstrieren, kopieren die beiden lieber Webseiten
global aktiver Konzerne wie Halliburton und warten bis man sie
einlädt als Repräsentanten auf einer der unzähligen Konferenzen zu
sprechen. Das tun sie dann mit dem grössten Vergnügen. Nur die
Inhalte ihrer Reden sind meist anders als gedacht. So lassen die
beiden als Repräsentanten des Chemiekonzerns Dow, der durch einen
Chemiegasunfall in Bhopal, Indien in den Achtzigern in die
Schlagzeilen geriet, schon mal bei einem Interview mit der BBC
verlauten, dass sie den halben Konzern auflösen. Und das Geld dann
den Opfern in Indien zukommen lassen, die bis heute nicht entschädigt
wurden. Mit skurrilen, witzigen Aktionen versuchen sie auf den
Irrsinn der Globalisierung und die damit verbundenen Gefahren
aufmerksam zu machen - eine Nachricht, die vor allem jetzt im Zuge
der Immobilien- und Bankenkrise an Brisanz gewinnt. The Yes Men Fix
The World ist der zweite Dokumentarfilm dieser Art und begleitet die
beiden bei ihren Coups der letzten fünf Jahre.
So witzig die Aktionen auch sein mögen, es gefriert einem das Blut in
den Adern, wenn man Einblicke hinter die Kulissen der
Globalisierungsbefürworter bekommt. So versucht der Film in
humoristischer Art auch Aufklärung zu betreiben. In unkommentierten
Bildern was tatsächlich geschehen ist und die Absurdität der
Ereignisse spricht ganz für sich selbst. Gefüllt mit intelligentem
anarchischen Humor zeigt der Film, wer die Strippen in einem System
in der Hand hält, bei dem man nicht mehr sicher sein kann wer mehr
Macht hat: Die demokratischen Regierungen oder der freie Markt. Und
der Film zeigt, wie man sich wehren kann und dass man damit meist
ungeschoren davon kommen kann. (Beatrice Behn, Berlin)
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